Dritte Orte statt Conference as Usual

Konzepte für Marken- und Produkterlebnisse entstehen zunehmend auf Basis der Theorie des „Dritten Orts“. Was steckt dahinter?

Check-in, Garderobe, Sitzplatz, Präsentation 1 und 2 – endlich Kaffeepause! – Keynote, Mittagessen, bald ist es vorbei, Verdauungsschläfchen vor PowerPoint, wann gibt es Kuchen? Könnte ich vielleicht schon vor der Abschluss-Keynote eine ungünstige Zugverbindung vorschützen …? Grundgütiger, wie viele Tortendiagramme muss ich mir heute noch anschauen?

Die Zeit der frontalen, passiven Folienschlachten ist glücklicherweise vorbei. Heutige Konferenzen wollen und müssen interaktiv, ko-kreativ und bidirektional ablaufen. Als strategisch denkende Berater unserer Kunden versuchen wir, das „Why?“ für Veranstalter wie Teilnehmer herauszuarbeiten und zu berücksichtigen. Das Phänomen gemeinschaftlich genutzter öffentlicher Orte außerhalb der eigenen vier Wände und der Büros gibt es schon seit Jahrhunderten. In Lexika als „Third Place“ aufgenommen wurde es jedoch erst, nachdem es vom Soziologen Ray Oldenburg gründlich erforscht und 1989 in seinem Buch „The Great Good Place“ veröffentlicht wurde.[1]

Und so entstehen Konzepte für Marken- und Produkterlebnisse zunehmend auf Basis der Theorie des „Dritten Orts“.  Dabei hat der Dritte Ort zunächst nichts mit Lernen zu tun. Vielmehr ist es ein Ort, der weder zuhause ist, noch Arbeitsort oder Schule. Man fühlt sich hier wohl, schaut gerne mal vorbei, kann bleiben und wieder gehen, Menschen treffen oder auch für sich bleiben. Es gibt etwas zu essen und zu trinken und wer will, führt ein Gespräch.

Dritte Orte erfüllen viele Kriterien, von denen einige nicht auf Konferenzen zutreffen, wie etwa „kostenlos“, „kein Gastgeber“, „man trifft sich unabgesprochen“ und sie „stehen allen offen zur Verfügung und liegen in der Nähe“. Dennoch lassen sich andere Merkmale sehr wohl auf Events, Meetings und Konferenzen übertragen. So sind Dritte Orte – heute wieder mehr denn je – einfach, praktisch, klar und nicht unbedingt schön. Das wichtigste an Dritten Orten ist die Kommunikation. Sie geben Anregungen und Unterhaltung und können für eine demokratische Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen.

Der Dritte Ort als „Wohlfühlraum“ will dem Zufall auf die Sprünge helfen und heißt seine Besucher willkommen. Im Idealfall richten wir als Veranstaltungsplaner den Dritten Ort so ein, dass er zum Verweilen einlädt. Dabei müssen wir sehr unterschiedliche, bisweilen gegensätzliche Bedürfnisse unserer Gäste berücksichtigen. Da gibt es die, die im intimen, geschützten Gespräch zur Hochform auflaufen und die, die erst im Rampenlicht aufblühen.

In diesem Sinn sind auch FabLabs[2] eine Variante des Dritten Ortes, wenn auch thematisch eingeschränkt. Hier stehen analoge und digitale Werkzeuge zur Realisierung von Ideen und Prototypen bereit. Anstatt Dozenten, die Kapitel abarbeiten, treffen hier Menschen aufeinander, die ihr Wissen teilen möchten und das haben FabLabs mit Makerspaces oder Repair Cafés gemeinsam.

Wir als Veranstaltungsplaner und strategische Weggefährten begreifen auch unsere Projekte als Nährboden, das Peer-to-Peer-Lernen zu fördern, Lernräume zu schaffen und unseren Teilnehmern das Potenzial des über-den-Tellerrand-Hinausschauens aufzuzeigen. Dazu muss man loslassen können und das ist in Zeiten knapper Budgets und scharf kalkulierter ROIs eine spannende Herausforderung.